internetart:
jenseits gängiger vorstellungen von net.art, socialweb, netznomaden:
jana wisniewski (kuratorin)
seit den frühen jahren der netzkunst ist viel zeit vergangen, die artikulationen von künstlern und künstlerinnen im netz haben sich verändert. ähnlich wie bei vorangegangen sogenannten "neuen medien", fotografie oder film z.b. war eine reflektion des mediums selbst, oder ein medienimmanentes verhalten vorerst gefragt, hat sich aber durch zunehmenden zugriff von künstlern auf diese möglichkeiten einerseits und einer vielzahl von zusätzlichen tools und praktiken soweit verändert, dass inzwischen alle alten praktiken, zeichnung, malerei, fotografie, film, animation im leeren blatt auf einer webseite realisiert und vermischt werden können, angereichert mit zusätzlichen kommunikativen tools und verlinkungen zu anderen seiten. voraussetzung für diese praktiken ist allerdings dass die künstler nicht in massenmedien wie facebook, twitter oder diversen wikis, (socialweb) mit vorgegebenen genormten tools agieren, die wenig spielraum lassen für gestalterische kräfte. vorbei ist auch der drang anonym bleiben zu wollen, schließlich hat man ja mit der domain im web eine adresse, und das üppige bildmaterial verrät die handschrift, filme haben ein datum und einen namen. es kann freilich nach wie vor unter falscher flagge gesegelt werden, die gendernauten und cybernauten, die multiplen persönlichkeiten sind möglich, umgekehrt können sich personen aber mit handy, gps, google maps verorten und ihre standorte auch dem bildmaterial beigeben. es kann im netz ebenso wie in der realen welt fotografiert, gefilmt, getextet, gesprochen werden, digital verfemdet werden oder auch nicht. die befreiung vom körper, unterwegs als geistwesen, ein reiz der früher beflügelte, ist nicht mehr so präsent, geblieben ist aber die vorstellung von einem land ohne grenzen, wie sie die electronic frontier foundation 1996 als unabhängigkeitserklärung formulierte. man braucht zwar ein passwort, aber keinen pass, und soferne man webdesign kann und mit dem technischen equipment umgehen kann, hat man alle möglichkeiten "kunst im öffentlichen raum" zu gestalten. dazu ist auch die entwicklung von software nicht mehr nötig, denn es gibt bezahlte und freie die menge. zusammenarbeit im netz ist bereits ein standardtool, die speicherung direkt auf externe festplatten einfach, das einspeisen von daten ebenso, und man kann den content auch migrieren. am anfang stand zur einführung guido hirschsteiner mit einem rückblick auf die netzkunst wie sie ursprünglich verstanden wurde, die eine präsentation durch den autor life natürlich nicht vorsah, in konfrontation dazu die junge berlinerin simona koch, die sich nicht mehr als netzkünstlerin versteht, in ihrer vorgangsweise immer noch den aspekt von vernetzung (im netz) pflegt, den content aber auch z.b. als grafik anbieten würde. das reisen, allerdings nicht nur in den netzen, kultivierte samuel herzog ebenso wie die gefälschten identitäten, angefangen von einer insel, die es nicht gibt, bis zu seinen aufträgen als kriminalbeamter, nur, entscheidender unterschied, er ist immer selbst auf den videos zu sehen, jeder der ihn kennt, erkennt ihn auch, und, er stellt pässe aus, und zwar als einwohner der insel die es nicht gibt. julia starsky arbeitet vozugsweise in öffentlichen räumen, belichtet öffentliche gebäude und das sehr frech und politisch, ihre webseite ist lediglich ein nebenprodukt, auf dem sie ähnliche strategien verfolgt. der faktor plattformen für künstlerische arbeiten ist inzwischen angewachsen, wir haben eine noch neue repräsentantin, evelin stermitz zum vortrag gebeten, weil es eine dezidiert feministische position ist und zudem wie ein tv-programm funktioniert, nur eben ohne zeitliche begrenzung, sowie agricola de cologne, der schon sehr früh begonnen hatte, zuerst netzkunst zu versammeln, dann immer mehr filme, gespräche, soundarbeiten, wettbewerbe, festivals, also über ein netzimperium verfügt. schlußendlich haben wir dann LIA life präsentieren können, die wirklich mit software operiert (im ursprüngliche sinne von netzkunst) aber auch schon in museen ausgestellt hat und neuerdings tools fürs handy anbietet. jody zellen arbeitet multidsiziplinär, sie gewinnt einerseits content aus öffentlichen räumen und nützt es für interaktive webseiten, andererseits konzipiert sie animationen die dann wie ein video im netz ablaufen, politisch motivierte soundarbeiten, die vielfalt dessen, was man heute im netz als kunst anbieten kann. |