GEOGRAFIE UND DIE POLITIK DER MOBILITÄT in der Generali
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Geografie ist durch Migration einerseits, und einer erstaunlichen Traditionsbewusstheit die überall hin mitgeschleppt wird andererseits, ein interessantes Thema für die Kunst. Es ist nicht leicht auszumachen wo die Interessen liegen, mit welchen Methoden sie vertreten werden und ob nicht viele Projekte längst aus dem Ruder gelaufen sind. Künstler sind in der Regel nur sich selbst verpflichtet, arbeiten aber gerade bei „journalistisch" anmutenden Projekten in kleinen Gruppen. Die „Migration" innerhalb der Kunstdisziplinen hat längst dazu geführt, dass man fast besser von „Autoren" sprechen sollte, um durch Zuordnungen nicht unnötige Begrenzungen setzen zu müssen. Die geografischen Mappenwerke, erstellt von freien Autoren, sehen deutlich anders aus als jene von Wirtschaft, Politik und auch anders als von „klassischen" Wissenschaftlern, die ja in der Regel Teilbereiche innerhalb von Institutionen bearbeiten und Ihr Wissen auf Kongressen anderen Wissenschaftlern präsentieren. Die freien Autoren interessieren sich oft genug für Themenbereiche, für die ihnen keine Pharmafirma und keine Telekom gern Geld geben würde. Die Recherchen beziehen sich meist auf Zustände, die alle Beteiligten aus unterschiedlichen Gründen gern im Dunkeln gelassen hätten. Dabei geht es nicht immer gleich um Verbrechen, die Offenlegung von Verknüpfungen ist oft unerwünscht. Ein durchgestylter Atlas wurde vom Pariser „Bureau d´ètudes" zum World Monitoring, dem Kapital und seinen Interessen kreiert und auch als handliches Faltplakat aufgelegt. Das ist die Spitze des Eisbergs innerhalb dieser Ausstellung, bei der die meisten Gruppen doch überschaubare Grenzsituationen bearbeiten. Hier wird das weite Feld der Wissenschaft auf die Hintergedanken abgeklopft, die Auftraggeber und/oder Geldgeber möglicherweise im Hinterkopf haben. Erst in der Zusammenschau offenbart sich, dass doch letztlich auf die Verfügbarkeit von menschlichem Material hingearbeitet wird, auch wenn Teilstrecken durchaus dem Wohle der Menschen dienen mögen. Eine andere und anders geartete Recherche, die sich eher auf die Resistenz gegenüber globalen Systemen bezieht und das lokale Mächteverhältnis, samt bemerkenswerter Behinderungs- und Verhinderungsstrukturen durchleuchtet, stammt von" multiplicity" aus Mailand. Der Mittelmeerraum als eigenwillige Zone mit schwer durchschaubaren Gesetzmäßigkeiten ist das Feld ihrer Recherche – zu Wasser, nicht auf dem Lande. Da der Focus bei dieser von Ursula Biermann kuratierten Austellung auf der Recherche liegt, kommt auch der Betrachter nicht umhin, viel Text zu lesen – das aber macht eine Ausstellung auch nach der Ausstellung verfügbar. JANA WISNIEWSKI
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