AESTHETIK DES DIGITALEN   Springer Verlag  CLAUDIA GIANNETTI

Die Autorin untersucht zwar die Ästhetik des Digitalen im Stile wissenschaftlicher Beweisführungen, zeigt aber ein bemerkenswertes Einfühlungsvermögen in die Entstehungsprozesse von Kunst und die Philosophie die bei den künstlerischen Intentionen dahinter steckt. Ihr intermediärer Beitrag zu Wissenschaft, Medien- und Kunstsystemen bringt vor allem eines auf den Punkt: Die Nähe von Wissenschaft und Kunst. Da Claudia Giannetti immer wenn es um Kunst geht, eine einfache, klare und treffsichere Sprache findet, darf man annehmen, dass die Beschäftigung mit Kunst, wenn es wirklich um ein Durchleuchten der Intentionen und Realisationen geht und nicht um diese als Zitat missbrauchte Strategie mancher Kuratoren, ein brauchbares Stück Erkenntnistheorie darstellt. Kunst als System sieht sie der Wissenschaft näher als je zuvor und umgekehrt die Wissenschaft näher an den Strategien der Kunst und verweist auf Endophysik und Endoästhetik. Mit computergestützten Mitteln werden Möglichkeitsformen erarbeitet, Modelle für Wirklichkeiten erarbeitet, die ja vielleicht unsere derzeit herrschenden sozialen Systeme anregen, auch verbessern könnten. Man kann nun gespannt sein, was nach der Dekonstruktion tradierter Werte auf uns zukommt. Einstweilen irren in einem relativ gesichtslosen Pluralismus viele Agitatoren, Künstler Theoretiker und Politiker herum, fordern den ungehinderten Zugang zu den Technologien und Resourcen, scheuen aber die Konsequenzen. Als Konsequenz ist inzwischen nun sicher, dass die Vernetzungsmöglichkeiten an sich keineswegs ein besseres Leben verheißen, vor allem weil gleichzeitig ein "tradiertes" Wort außer Gebrauch geraten ist: Verantwortungsbewusstsein. Auch in diesem Buch wird die Infragestellung von Wahrheit, Wirklichkeit und Autonomie als Problem für traditionell Denkende gesehen. Weder Wissenschaftler noch Künstler schenken der Ausbeutbarkeit neuer Entwicklungen genügend Aufmerksamkeit, nicht zuletzt weil sie sich gegenseitig bestehlen und der Mangel an "Moral" durchaus zu Macht und Geld führen kann. Einige Qualitäten der Kunst scheinen bei den Kontext bezogenen Strategien auch verloren gegangen zu sein, die Kunst rückt näher ans System. Die Leichtigkeit, mit der am Computer Projekte realisiert werden können verführt ja auch dazu, die vorgefertigten Anwendungen bedenkenlos zu nützen und kreatives Potential zu verschenken. Die Autorin stellt durch Darstellung neuer Prinzipien, die auf Verminderung von Input und Steigerung von Output zielen und das als Effizienz darstellen, diese Strategien auch zur Diskussion.

Claudia Giannetti, Autorin/Kuratorin, ist derzeit Direktorin des MECAD Media Centre of Art and Design der Hochschule ESDi in Barcelona