Roberto Simanowski studierte deutsche Literatur
und Geschichte, 1999 gründete er das Online-Journal
dichtung-digital. 2001 fand der Literaturpreis Literatur.digital
große Beachtung, und als Buch bei dtv seinen Niederschlag, Roberto
Simanowski zeichnet als Herausgeber. Die Formen und Wege, die er als
dichtung-digital gelten lässt, werden laufend definiert und
kommentiert. Mit den Resultaten des von T-online und dtv
ausgeschriebenen Wettbewerbes war nun leicht der Beweis auf breiter
Basis anzutreten, dass es um medienspezifische Formen geht. Ein
Buch, welches auch als gedrucktes Buch erschienen ist, braucht man
nicht mehr im Netz zu lesen - Literatur die man auch als Buch
drucken kann, erfüllt nicht die Kriterien für Literatur.digital.
Nun, alle Autoren, die über digitale Literatur in dem Buch
Literatur.digital oder in anderen Büchern Reflektionen zum Thema
abgegeben haben, schreiben ganz normal, wie Wissenschaftler, deren
Texte ja auch keinen Unterschied machen zwischen Print und Netz.
Daraus muss man in erster Linie schließen, dass Literatur.digital
als Teil einer Kunstpraxis verstanden wird, die zu den visuellen
Künsten, zur Bildenden Kunst gerechnet wird. Es geht nicht mehr um
ein lineares lesen von Worten und Sätzen, die über das Gesagte
wirken, die Textkonstrukte haben nicht nur eine besondere Gestalt,
sie sind durch Bewegung und Überlagerung, durch eine Vielfalt von
technischen Komponenten, die genutzt werden können, und das vom
Autor selbst, zur autonomen Literatur geworden. Grafiker,
Drucker und der Verlag, sind nicht mehr für die Realisierung und
Verbreitung von Literaturen nötig.
Warum ist diese Abgrenzung der Literatur.digital, von Literatur
die durchaus auch auf einer Webseite lesbar dargestellt wird, so
wesentlich? Man könnte einen Vergleich zu Fotografie und Film
ziehen. Als die Bilder laufen lernten, ist etwas vollkommen Neues
entstanden. Ähnlich ist es mit den Worten und Sätzen, die nun
laufen gelernt haben. Das es parallel dazu nach wie vor einfach
Texte oder auch Zeitungen, wissenschaftliche Publikationen im Netz
gibt, ja auch Literaturzeitschriften, ist kein Gegenbeweis zum
Standpunkt einer digitalen Poesie, wie sie vorzugsweise von anderen
Autoren oder Institutionen genannt wird. Die Existenz dieser
Kunstformen ist so sehr durch eine Technologie geprägt wie die
Kunstformen, die mit laufenden Bildern arbeiten, mit Film oder
Video.
Entscheidend bei allen Webkünsten ist ein interaktiver Beitrag
des Lesers, Betrachters. Es zeigt sich, dass Künstler meist
ziemlich weit weg sind von dem, was als gutes Webdesign gilt.
Sensitive Stellen muss man suchen, Erwartungen werden eher umgelenkt
als bestätigt, Ansprüche an den Leser sind eingebaut, der Reiz
liegt im interessanten Zusammenspiel von inhaltlichen und visuellen
Reizen, sowie in der besonderen Nutzung vorhandener oder
geschriebener Software.
Das Journal ist nach wie
vor aktiv
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