literatur und medien:
LITERATUR IM NETZ von Christine Böhler ISBN 3-85486-103-6 Triton Verlag Aus naheliegenden Gründen, (am Anfang war nur Wort im Netz) hat sich früher als die Welt der Bilder und der Musik, eine Literaturszene im Netz etabliert. Einen sehr kompetenten Führer durch alle Bereiche digitaler Literaturen, mit einer Zeittafel am Anfang und 10 Thesen zum digitalen Literaturbetrieb zum Schluss legt Christine Böhler nun vor. Das Buch ist auch für Liebhaber dieser alternativen Literaturformen eine Fundgrube. Besonders wichtig erscheint es anzumerken, dass sie nicht der Faszination erliegt, die Jubelstimmung die anfangs unter Kulturschaffenden vorherrschte, einfach weiterzutragen, sondern sehr genau die gesellschaftspolitische Tragweite auslotet und die Schattenseiten realistisch darstellt. Noch mehr Lob gebührt ihr für die einfache, gut verständliche Art, wie sie technische Voraussetzungen einbringt und sie anbei erklärt. Die „totale" Freiheit der Kommunikation hat inzwischen vor allem einen entscheidenden Nachteil, die Kunst der „Schreibe" ist brotloser denn je zuvor, immer wieder verlockt neue Software zu adäquaten Experimenten, doch gleichzeitig ist auch das permanente aufrüsten der Equipments zum Diktat geworden. Das die Entwicklung des Internet im Dienste des Militärs stattfand, würde man gerne vergessen, doch nach wie vor obliegt der Regierung der USA die Verwaltung der 13 Root Server, jener Rechner über die sich alle Netze aufbauen, daher steht dennoch die Rute der Kontrolle im Raum. Seit Anfang der 90er Jahre, mit der Erfindung des WWW, einer grafischen Benutzeroberfläche, begann der Siegeszug von Multimedia und seither hat auch Literatur mitunter sehr interessante visuelle Seiten. Inzwischen gibt es schon Theorien darüber, wie Literatur im Netz „mediengerecht" (auf aktuellen Anwendungen basierend) präsentiert wird. Den „linearen" Text, wie ihn Literaten seit jeher zu Papier brachten, oder auch als Datenmenge abspeicherten, wird das neue Spiel mit parallelen Strukturen, Vernetzungsstrategien und oft mit Bildmaterial angereicherten Flashseiten sicher nicht zu Fall bringen. Entstanden sind neue Formen zu denken, sich zu vermitteln, Text zu visualisieren und zu transportieren. Das ist einfach faszinierend! Auch wenn die Rahmenbedingungen noch so strapaziös sein mögen, die Abgrenzungsversuche bezüglich Qualität neue Kriterien erfordern, das Gebiet der digitalen Literaturen wächst, wie alle anderen Netznutzungen auch. Das e-book ist dabei nur „Materie", also Hardware, wie der Computer, die Schreibmaschine, das Buch, das Papier, dafür kann man immer Geld verlangen. In den Thesen am Schluss des Buches verweist Christine Böhler darauf, dass die nunmehr zunehmend im IT Bereich veröffentlichten Werke und deren Autoren dringend eine Lobby benötigen, die sich intensiv mit den anstehenden Problemen der (multiplen?) Autorenschaft, den neuen Vermarktungsmethoden, den daraus resultierenden Abgeltungen beschäftigt. Ihre Recherche zum Thema wurde durch einen Forschungsauftrag ermöglicht – ein Hinweis darauf, dass unsere Gegenwartsbewältigung, die uns sehr viel Flexibilität abfordert, doch immer wieder „gefördertes" Nachdenken erfordert. |