DER ERZÄHLER UND DER CYBERSPACE – Walter Grond im Haymon Verlag

Ein sehr kritischer Autor setzt sich mit dem Kulturwandel der durch die neuen Technologien, die Migration und die neuen Marketing-Methoden geschieht auseinander. Mit ungetrübtem Blick, findet er neben den Schattenseiten die positiven Aspekte der Wandlungen, wandert im „Netz" ohne sich in die Netze von Vermarktungsaposteln, Avantgardespezialisten und „Tagespolitikern" verstricken zu lassen.

Den immer elitärer und abgehobener agierenden Avantgarden, steht ein Potential gegenüber, das mit Sampeling transkulturelle Identitäten schafft, die als „Jugendkultur" jene Nähe zum Leben bietet, die in den abgegrenzten Kunstfeldern mit ihren Rückbezüglichkeiten verloren gegangen ist. Techniker und Wissenschaftler prägen heute weit mehr die Kultur als Künstler, daher entsteht die Frage, was ein Autor/Künstler heute an Möglichkeiten hat. Die Antwort ist erstaunlich einfach: Er stellt sich der Realität! Das dabei uralte Ansprüche, z.B. die Ehrlichkeit des Autors zu sich selbst, erneut hoch im Kurs stehen, verärgert wohl jene, die mit faulen Tricks gute Geschäfte gemacht haben, ist aber ein guter Wegweiser zu den neuen Identitäten, die es zu entdecken und darzustellen gilt. Sprache ist Allgemeingut und es muss Gründe dafür geben, dass selbst Liebhabern experimenteller Texte mitunter ein Popsong mehr sagt. Wenn die Form über alles gestellt wird, oder Kulturschaffende und deren Rezipienten und Förderer in den eigenen Strategien schmoren, dann wird es einfach langweilig.

Bei Walter Gronds Erzählungen ist es schon deswegen nicht langweilig, weil er lautstarken Kulturpolitisierern intelligent auf den Zahn fühlt, über enge Kontexte munter hinausschreitet und sich für unterschiedliche Lebensmuster interessiert.Denkt man wirklich frei, fallen diverse Legitimationsversuche etablierter Ordnungen und Organisationsformen auf, die das Neue eigentlich als Bedrohung erfahren und hilflose Versuche der Anpassung unternehmen. Dazu gehören auch die Club-Versuche von Museen. Grond sieht aber auch die Probleme bei jenen Kunstformen der 90er Jahre, die sich in die Rolle von Polit-Avantgarden drängen.

Den Cyberspace nicht nur als Marketinginstrument zu sehen erscheint geboten. Im Dickicht globaler Verhältnisse finden sich nicht nur neue Unterdrückungsmuster und Ausbeutungsstrategien, es finden sich auch neue Freiheiten, die alte Hierarchien zerbrechen. Bei aller Bejahung von Kunst die sich nicht in Elfenbeintürme verkriecht, bei aller Offenheit der Diskussion darüber, ob und wie Kunst überhaupt noch Sinn macht, oder ob einfach der Name, die Bezeichnung abgenützt ist, ist dennoch das Hitlistendenken, welches die verkauften Exemplare als einziges Kriterium versteht, kein Muster für Innovation. Da Kapitalismus in immer schnelleren Zeitabständen Innovation vereinnahmt und damit auch tötet, sind neue Lebensmuster gefragt und neue Netze, und gerade dafür eignet sich der Cyberspace.

Jana Wisniewski

Buch: ISBN 3-85218-294-8 Haymon – Walter Grond – Der Erzähler und der Cyberspace