Von: "Alexandra Reill" <alexandra.reill@kanonmedia.com>
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  Gesendet: Freitag, 5. September 2008 18:06
  Betreff: [netznetz. net] Fw. Tägliches Bulletin 1: Zur sozialen Lage der Künstlerinnen


Zur sozialen Lage der KünstlerInnen
Dass die finanzielle Situation von Künstlerinnen und Künstlern nicht rosig ist, wissen wir schon lange. Die Kunstsektion hat dazu eine umfangreiche Untersuchung in Auftrag gegeben. Und die ist seit Juli da. Das heißt, eigentlich ist sie noch nicht da. Weil sie nämlich von Claudia Schmied unter Verschluss gehalten wird.
Warum veröffentlicht die Ministerin nicht, was uns interessiert? Nun, weilauf 263 Seiten ein
erschreckendes Bild gezeichnet wird, das alle bisherigen Vermutungen dramatisch übertrifft. Der Report zeigt ganz klar, dass die soziale Situation der Kulturschaffenden katastrophal ist. Und damit auch die Kulturpolitik.
Die Grünen sind an den Bericht herangekommen. Als schlimmstes Ergebnis bei einer Stichprobe von 1700 Befragten kann die Einkommenssituation genannt werden. Trotz hohem Ausbildungsniveau (73% akademisch, das ist exakt viermal höher als der österreichische Durchschnitt) verdient ein Drittel aller Kulturschaffenden weniger als 700 pro Monat. Frauen verdienen sogar noch weniger, nämlich 600. Das ist beides weit unter der Armutsgrenze. Und noch dazu inklusive aller Nebenjobs, denen notgedrungen nicht voll nachgegangen werden kann, da sonst keine Kraft für die Kunst bleibt. Kulturschaffende haben damit ein 5x höheresRisiko, arm zu werden, als der Durchschnitt der Erwerbstätigen.
Ja, wir haben eine Kulturnation. Aber sie lebt von Kunstschaffenden, die ununterbrochen arbeiten, ihren Vorstellungen unabhängig vom Profit nachgehen und die mit Investitionen (speziell im Bereich der Neuen Medien) zudem ein hohes Risiko eingehen. Manch eine Autorin schreibt unter Umständen fünf Jahre an einem Roman, ohne zu wissen, ob sich das wirtschaftlich jemals trägt. Keine Berufsgruppe verfügt über derart unterschiedliche, unregelmäßige und unberechenbare Einkommen.
Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung entstehen daraus nicht. Dazu fehlt fast immer die
erforderliche Mindestanstellungsdauer. Dennoch wird fleißig in die Versicherung eingezahlt. Mehr als ein Drittel der Kulturschaffenden hat zudem große Lücken in der Durchgängigkeit der Sozialversicherung und mehr als die Hälfte zahlt doppelt ein, weil gelegentliche kurze Anstellungen das erfordern.
Die sogenannte "Künstlersozialversicherung" ist dabei so hilfreich wie ein Kopfwehpulverl, wenn Anämie diagnostiziert wurde. Sie ist ein Zuschuss zur Pensionsversicherung, nicht mehr, und verdient daher ihren Namen nicht.
Aus alledem ergibt sich die wenig verwunderliche Unzufriedenheit der Kunstschaffenden. Der Studie
zufolge fühlt sich mehr als die Hälfte der Befragten unglücklich und -aufgrund von niedrigem Einkommen und Angst vor der Zukunft -schwer gestresst. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sind das mehr als doppelt so viele.
Verwunderlich bleibt, warum sich dennoch 17000 KünstlerInnen in Österreich diesem Los aussetzen. Sie bilden in Wahrheitj jene verarmte Basis einer Kulturnation, die mit ästhetischen Leuchttürmen oben drüber leuchtet. Und sie müssen leider als Role-models für den freien Arbeits- und Kapitalmarkt herhalten. Solche Arbeitskräfte sind gesucht, die für geringes Honorar 52 Stunden pro Woche (laut Studie) hoch kreativ arbeiten.
Wir Grüne haben dagegen ein anderes Modell. Seit 2006 liegt unser Gesetzesvorschlag zur Mindestsicherung der Kulturschaffenden im Parlament. Er wurde bislang von keiner anderen Partei unterstützt.
Wolfgang Zinggl
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http:III isten .esel. atlmai Iman/listinfo/1 iste

Zusätzliche Anmerkung von e-motionArtspace:

DIE LAGE DER KÜNSTLER HAT DURCHAUS MIT DER NICHTBEZAHLUNG FÜR KREATIVE ARBEIT ZU TUN, MIT DER SICH ALLE SCHMÜCKEN. MAN ERLAUBE SICH DOCH EINMAL VON DEN DRUCKEREIEN DER KATALOGE, VON TRANSPORTEUREN ecetrera GRATISARBEIT ZU VERLANGEN, nur weil es "KULTUR" ist!