Einen ungewöhnlichen Weg geht Barbara Dmytrasz bei ihrer fundierten Darstellung der Entstehung der Ringstraße Das größte städtebauliche Projekt des 19. Jahrhunderts in Europa wird als identitätsstiftende Strategie der Auftraggeber enttarnt und geht von historischen Entscheidungen und Prägungen aus, nicht von kunsthistorischen. Es sind in keiner anderen Straße der Welt mehr Kunstschätze angesiedelt, als auf dem Ring, 20 Museen von Weltrang befinden sich unter den Bauten, aber auch das erste Kunstgewerbemuseum des Kontinents, jetzt MAK, Museum angewandter Kunst genannt, das erste Künstlerhaus im deutschsprachigen Raum und ein Schlüsselbau der Moderne, die Secession, die als eines der Hauptwerke des europäischen Jugendstils, Ort der Avantgarde wurde. Auch das Künstlerhaus erinnert an ein Renaissancepalais, wie die Autorin feststellt, nach ihrer Analyse wurde für die diversen Prachtbauten der Ringstraße oft und gern in die Kunstgeschichte zurückgegriffen, das Ziel war Repräsentation. Das am meisten belastete, kritisierte Gebäude, errichtet in einem romantischen Historismus, die Oper, war bereits bei Fertigstellung altmodisch. Den Architekten der Oper wurde das Leben wahrlich schwer gemacht, Eduard van der Nüll nahm sich das Leben und August Sicard von Sicardsburg erlag einem Schlaganfall. Die Autorin geht in Kapiteln vor, die von den ursprünglich militärischen Repräsentationstrategien, über die Imperiale Selbstdarstellung, zum Triumph des Bürgertums, dem großen Showdown von Adel und Großbürgertum, bis zur Opposition gegen das Kaiserhaus fortschreiten. Sie entschlüsselt die ehemalige Bedeutung durch den historischen Kontext. Trotz aller Ein- und Übergriffe, sind aber wunderbare Bauten entstanden, da den Machthabern nur die besten Künstler der Zeit gerade recht waren. Immer wieder erinnert Barbara Dmytrasz an die politische Realität, in der die Gebäude entstanden sind, so etwa das Rathaus, 1880 waren nur 3% der Wiener Bürger stimmberechtigt! Stadtplanung als Instrumentalisierung von Erinnerungskultur? Jugendstil durfte direkt am Ring nicht gebaut werden, nur etwas abgerückt, in der zweiten Reihe (war zu liberal). Theophil Hansen erinnerte mit der Anlehnung an die hellenische Architektur für das Parlamentsgebäude an die athenische Demokratie unter Perikles, wobei das was damals als Demokratie galt, sowie das was bei der Erbauung des Parlaments als demokratisch angesehen wurde, heute keineswegs als ausreichend empfunden werden könnte.
Mit dem Museumsquartier, einem Kulturareal von 60.000 Quadratmetern, weltweit einem der weitläufigsten, ist mit und hinter barocken Fassaden eine Fortsetzung von Repräsentation durch Kultur entstanden. |