1968 - 2010 ein wunderbares Werk, das angefangen bei den Provokationen der 60er Jahre bis auf den heutigen Tag spannend und progressiv geblieben ist. Einmal Pioniere, immer Pioniere, Coop Himmelblau ist nie in eine beruhigte Phase der Anpassung an den Mainstream eingetreten. So unverwechselbar der Stil auch ist, es ist jedes Projekt anders und das heißt auch, dass für jedes Projekt neben dem Image der Architekten, auch das Image des Auftraggebers zum tragen kommt. Man denke nur an ein nicht so bekanntes Werk, das ich einmal (nicht als Architekturführung) begehen durfte, das Office and Research Center in Seibersdorf. Gerade wenn man nicht auf die Architektur verwiesen wird, spricht sie um so deutlicher. Die symbolische Tor-Situation, der Eintritt in eine andere Welt der Arbeit, zu der nicht allgemeiner Zutritt möglich ist, die Struktur die hier für diese Arbeitsfelder gefunden wurde zeigte mir, um wieviel mehr es geht  als um die aufregenden Hüllen, das kecke Design. Bei all den scheinbaren Brüchen im Formenvokabular entsteht letztlich ein sehr schlüssiges Ganzes. Die Beschreibung der Intentionen im Buch ist eine ebenso klare Sache, die auf unnötiges, unverständliches Theoriegefasel vollkommen verzichtet. Es ist offenbar möglich, in einen bestehenden Kontext einzugreifen, unglaublich radikal, das war schon beim Dachausbau in der Falkenstraße ablesbar 1988 und ist es auch 1995, und dennoch zufriedenstellend mit der vorhandenen Bausubstanz zu kooperieren - also das Gegenteil von dem was immer wieder behauptet oder geargwöhnt wurde. Anpassung wird oft vollkommen falsch verstanden, als Anbiedern, Coop Himmelblau zeigen, dass man die Würde und das Notwendige belassen kann und dennoch vollkommen neue Interaktionsmöglichkeiten schaffen kann, nicht nur im Formalen, auch in der Art der Handlungsweisen, Benutzerstrukturen und natürlich der Ästhetik.

Der Rote Engel z.B. ist ein ungeheuer beliebtes Lokal geworden, diese neue Ästhetik ist vom Publikum angenommen worden. Der Dekonstruktivismus wurde höchstens von Theoretikern als Dekonstruktion verstanden, von den Nutzern weit eher als eine neue Form der Konstruktion - Brüche halten frisch! Mit allen Aktionen und Bauten wurde letztlich ein positives Gefühl vermittelt, ein vorwärts schreiten zu neuen Ufern, ob nun in selbst gebauten Blasen, Schaumorgien oder Brandsätzen

Logischerweise muss zeurst einmal etwas geöffnet werden, das Tor zu einer anderen Möglichkeit, die Coop Himmelblau hat das Haus geöffnet, das Schützende anders gedacht, nicht so ängstlich, und hat sich damit den Weg zu ganz anderen Ansätzen freigeschaufelt. Man muss das in der Architekturgeschichte schon als eine sehr wichtige Position betrachten.

Letztlich zeigt sich, dass das totoal unangepaßte Entwurfsverhalten weit eher paßt, weil es eine Entgegnung ist auf gleicher Augenhöhe, nicht ein Dienst an der Geschichte.

Vor Jahren, vielen Jahren fragte ich einmal, ob sie denn mit Computerprogrammen entwerfen, das wurde verneint, und bei der großen Ausstellung im MAK in Wien konnte man auch unzählige Skizzen sehen, gezeichnete oder dreidimmensional entworfene Grundideen - das war ein weiser Entschluß, denn die Software engt ja eher den geistigen Höhenflug ein, kanalisiert ihn, ja definiert ihn, was inzwischen einige junge Architekten als wieder eigenes Entwurfskonzept sehen. Den Computer kann man ja nachher rechnen lassen, ganz abgesehen davon, dass inzwischen viele arbeitsteilige Schritte in der Architektur plausibel und nötig sind, so bleibt doch der Mensch der denkt, träumt, und die Gnade der Begabung.

Das Buch ist wunderschön, unter vielen schönen TASCHEN-Büchern (für mich) das Schönste - ISBN 978-3-8365-1788-1